Die Enkel des Barbarossa by Michael Bille

Die Enkel des Barbarossa by Michael Bille

Autor:Michael Bille [Bille, Michael]
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Zu meinem Erstaunen stellte ich wieder einmal fest, daß ich seit dem Beginn der schrecklichen Ereignisse das Leben um mich herum mit anderen Augen sah als noch kurz vorher. Das Zusammensein mit Arton, aber mehr noch die Ausbildung und die Erfahrung im Kloster und schließlich das kurze Zwischenspiel mit dem Schmied und seiner Familie hatten mich geprägt und verändert. Alltäglichkeiten wie Bettler, Kaufleute oder der Bau eines Hauses waren mir früher herzlich gleichgültig gewesen, doch jetzt war alles ganz anders. Jede noch so unwichtig erscheinende Kleinigkeit weckte mein Interesse, bestand doch die Möglichkeit, daß mir das Wissen, das ich mir aneignete, irgendwann einmal von Nutzen sein konnte. So verschlang ich alles, was ich zu hören und zu sehen bekam, und zum erstenmal machte ich mir auch Gedanken über die Bettler und Krüppel, die zu Hunderten die Straßen und Gassen bevölkerten und um ein Almosen baten. Unwillkürlich kamen mir wieder die Worte des Abtes in den Sinn: »Der Tag wird kommen, an dem diese kranke Welt auch von Kranken beherrscht werden wird.«

Beim Anblick dieser zerlumpten Gestalten war ich fast versucht, ihm doch zu glauben, daß dieser Tag nicht mehr fern war.

Eine andere, für mich noch wichtigere Frage war, ob er auch aus diesem Heer der Gestrandeten und Hoffnungslosen seine Helfer rekrutierte und wenn ja, inwieweit sie für mich zu einer Gefahr werden konnten. Eines stand für mich jedenfalls fest: Solange ich mit Luciano dem Müller zusammen war und es niemandem auffiel, wie kurz wir uns erst kannten, so lange war mein Leben zumindest sicherer, als wenn ich allein durch die mir fremden Gassen schliche.

Der Wagen rumpelte durch die Stadt, vorbei an eindrucksvollen Bauwerken und Sehenswürdigkeiten. Zu allem hatte der Müller eine Geschichte zur Hand, und ich versuchte mir krampfhaft zu merken, wo sich all die Gebäude und Plätze befanden. Denn es war doch lebenswichtig für mich, die Stadt zu kennen und mich in ihr zurechtzufinden, zumal ich ja ein Ziel hatte und die Gesellschaft des Müllers nicht von Dauer sein konnte.

»Ist es dir eigentlich nicht aufgefallen, wie streng die Wachen den Einlaß kontrollierten?« unterbrach ich seinen Redefluß.

Er schaute mich entgeistert an, so als müsse er die Frage erst einmal verdauen. Dann jedoch verschwand der Schatten vor seinen Augen, und er fauchte mich an: »Erinnere mich bloß nicht daran, verdammt noch mal! Mir wird noch immer ganz schlecht, wenn ich bloß daran denke. Aber davon einmal abgesehen, kamen sie mir auch sehr sonderbar vor, fast so, als fürchteten sie sich vor irgend etwas oder irgend jemandem. Ich habe dir doch erzählt, wie einfach es sonst ging, aber diesmal … Ich habe auch noch nie so viele von ihnen gesehen. Na ja, was soll's, wir sind drin, ich werde mein Mehl los, und morgen in aller Frühe geht es den gleichen Weg zurück. Warum soll ich mir da über ein paar Heißsporne Gedanken machen? Vermutlich standen die zum erstenmal draußen vor dem Tor. Diese dummen Bengel werden auch noch ruhiger.«

Nach diesem philosophischen Schlußwort machte er es sich wieder bequem und beschrieb mir jedes Haus.



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